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Lawinenwarndienst Bayern – Geschichte, Organisation und Aufgaben

Abbildung 6: Das Team der Lawinenwarnzentrale zusammen mit dem erweiterten Lehrteam aus Polizeibergführerinnen und Polizeibergführern. I LWD Bayern
Abbildung 6: Das Team der Lawinenwarnzentrale zusammen mit dem erweiterten Lehrteam aus Polizeibergführerinnen und Polizeibergführern. I LWD Bayern

Der Lawinenwarndienst Bayern warnt die Bevölkerung vor den Gefahren, die von Lawinen ausgehen. Zudem dokumentieren die Lawinenwarnzentrale und viele Ehrenamtliche vor Ort das Lawinengeschehen und beraten private und öffentliche Entscheidungsträger. Was zur Gründung des Lawinenwarndienstes Bayern geführt hat, wie er organisiert ist und welche Aufgaben er übernimmt, erklären wir im folgenden Beitrag.

Ein Lawinenunglück und seine Folgen: Gründung des Lawinenwarndienstes in Bayern

Am 15. Mai 1965 löste sich oberhalb des Hotels Schneefernerhaus auf der Zugspitze eine mächtige Schneebrettlawine. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich rund 30 Personen auf der Sonnenterrasse des Hotels, die von der Lawine erfasst wurden. Die Schneemassen hatten im Ablagerungsbereich eine Mächtigkeit von bis zu zwölf Metern, sodass trotz der zügig eingeleiteten Bergrettungsaktion (Abb. 1) zehn Personen ums Leben kamen, elf schwer und elf leicht verletzt wurden. Schnell war man sich einig, dass so ein Unglück nicht noch einmal passieren dürfe, und man begann mit den Vorbereitungen zur Gründung eines bayerischen Lawinenwarndienstes. In den Wintern 1965/66 und 1966/67 stellten dankenswerterweise die bereits bestehenden österreichischen Warndienste in Vorarlberg, Tirol und Salzburg die Lawinenwarnung in Bayern vorübergehend sicher. 

Das Bayerische Staatsministerium des Innern gab schließlich im Oktober 1967 den Start des Lawinenwarndienstes Bayern bekannt. Das bis heute schlimmste bekannte Lawinenunglück in den bayerischen Bergen und die größte Bergrettungsaktion hatte somit die Gründung des Lawinenwarndienstes Bayern zur Folge.

Abbildung 1: Trotz der größten Bergrettungsaktion der bayerischen Geschichte kamen am 15. Mai 1965 zehn Personen in der Lawine auf dem Zugspitzplatt ums Leben.

 Seitdem ist viel passiert (Abb. 2). Neben dem Messwesen, das im Laufe der Zeit Stück für Stück ausgebaut und verbessert wurde, müssen insbesondere die Kommunikationswege immer auf dem aktuellen Stand gehalten werden. Auch der internationale Austausch spielt seit Beginn seines Bestehens eine wichtige Rolle bei der Arbeit des Lawinenwarndienstes Bayern: Die länderübergreifendeZusammenarbeit unter dem Dach der  EAWS (European Avalanche Warning Services) ist inzwischen ein Gewinn für alle europäischen Lawinenwarndienste. Weitere Informationen zur EAWS gibt es hier.

Abbildung 2: Wichtige Meilensteine in den vergangenen 50 Jahre des Lawinenwarndienstes Bayern.

Die Organisationsstruktur des Lawinenwarndienstes Bayern 

Der Lawinenwarndienst Bayern besteht aus zwei Bereichen: Zum einen aus der Lawinenwarnzentrale im Bayerischen Landesamt für Umwelt, welche u.a. für die Lawinenwarnung auf regionaler Ebene und die Organisation des Lawinenwarndienstes zuständig ist. Zum anderen umfasst er die Gemeinden und Landkreise als zuständige Sicherheitsbehörden und deren ehrenamtliche Helferinnen und Helfer: die Lawinenkommissionen sowie die Beobachterinnen und Beobachter vor Ort (Abb. 3).

Abbildung 3: Organisationsschema des Lawinenwarndienstes Bayern und dessen Interaktionen mit den Sicherheitsbehörden und der Öffentlichkeit. I LWD Bayern

„Gesperrt wegen Lawinengefahr“: Wer veranlasst lawinenbedingte Sperrungen?

 Wird in Bayern eine Straße, eine Piste oder ein Weg aufgrund von Lawinengefahr gesperrt (Abb. 4), waren die ehrenamtlichen örtlichen Lawinenkommissionen und die zuständige Sicherheitsbehörde aktiv. Die Lawinenkommissionen stellen dabei das beratende Gremium dar. Sie beurteilen die Wetter- und Lawinensituation für die Lawinenstriche in ihrem Zuständigkeitsbereich über den gesamten Winter hinweg (Abb. 5).

 Im Falle einer Gefährdung geben sie Maßnahmenempfehlungen an die Sicherheitsbehörde weiter. Denn die Sicherheitsbehörden (Gemeinden und Landratsämter) haben die Aufgabe, die Bevölkerung auf geöffneten Verkehrswegen vor Lawinengefahren zu schützen. Bei Gefahr können auf Anordnungen der Sicherheitsbehörden dann z.B. Straßen, Liftanlagen, Skiabfahrten oder Langlaufloipen gesperrt werden. In Einzelfällen kann es aus Sicherheitsgründen zudem notwendig werden, ganze Siedlungsbereiche zu evakuieren.

Mehr Informationen zur Tätigkeit der ehrenamtlichen Lawinenkommissionen und deren Arbeitsweise.

Lawinenlagebericht, Beratung und Ausbildung: Die Aufgaben der Lawinenwarnzentrale

Die Veröffentlichung des täglichen Lawinenlageberichts ist wohl die bekannteste Aufgabe des Lawinenwarndienstes. Der Bericht wird von der Lawinenwarnzentrale im Bayerischen Landesamt für Umwelt herausgegeben. Er setzt sich aus einer Vielzahl an Informationen zum Wetter- und Lawinengeschehen und zum Schneedeckenaufbau aus dem Gelände zusammen, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Lawinenwarnzentrale jeden Tag sichten und auswerten. 

Wichtige Daten liefern dazu die ehrenamtlichen Beobachterinnen und Beobachter des Lawinenwarndienstes. Sie geben Eindrücke aus dem Gelände, Schneeprofile und Schneedeckentests an die Lawinenwarnzentrale weiter. Aus den Einzelinformationen entsteht ein Bild der Lawinensituation im bayerischen Alpenraum, das sich im aktuellen Lawinenlagebericht widerspiegelt. Dieser wird in der Wintersaison täglich um 18 Uhr für den folgenden Tag auf der Website des Lawinenwarndienstes Bayern veröffentlicht. Wer sich zum Newsletter anmeldet, bekommt ihn per E-Mail zugeschickt. Auch über mehrere Apps wie z.B. SnowSafe kann er abgerufen werden.

Der Lawinenlagebericht ist aber nur eine der Aufgaben der Lawinenwarnzentrale. Weitere sind:

  • Die allgemeine Organisation und Koordination des Lawinenwarndienstes Bayern. Dies beinhaltet auch die Bereitstellung von modernen Systemen zur Datenein- und Weitergabe wie die lawinenwarndienstinterne Webapp LA.DOK.
  • Der Betrieb des Messnetzes mit den automatischen Wetter- und Schneemessstationen. Der Lawinenwarndienst Bayern unterhält ca. 20 solcher Stationen verteilt über die verschiedenen Regionen und Höhenlagen im bayerischen Alpenraum.
  • Im Bereich von Lawinenschutz zählt die Beratung von Fachbehörden, die Erstellung von Stellungnahmen zur Lawinengefährdung von Objekten und die Ausarbeitung von Planungsgrundlagen zu den Kompetenzen der Lawinenwarnzentrale.
  • Die Lawinendokumentation von interessanten Ereignissen und das Führen eines Lawinenkatasters. Darin sind alle bekannten Lawinen in Bayern verzeichnet, die Objekte und Infrastruktur gefährden. Das Lawinenkataster steht der Öffentlichkeit über den Bayern-Atlas unter dem Stichwort Naturgefahren zur Verfügung.
  • Die Öffentlichkeits- und Pressearbeit in Bezug auf den Lawinenwarndienst und die aktuelle Lawinenlage. Darunter fällt auch der Betrieb der offiziellen Website des Lawinenwarndienstes Bayern.
  • Die Vertretung des Lawinenwarndienstes Bayern auf internationalen Tagungen und Zusammenschlüssen wie der EAWS.

 Ein ebenfalls großer Bestandteil der Arbeit der Lawinenwarnzentrale ist die Ausbildung der ehrenamtlichen Mitglieder des Lawinenwarndienstes. Dazu gibt es jährlich zwei umfassende Lehrgänge und zahlreiche einzelne Ausbildungstage. Dabei werden unter anderem die Grundlagen zur Schneedeckenentwicklung und Schneedeckentests sowie der Entscheidungsfindung in einer Lawinenkommission behandelt. Während der beiden einwöchigen Lehrgänge wird das Team der Lawinenwarnzentrale von einem Lehrteam aus Polizeibergführerinnen und –bergführern unterstützt.

Abbildung 6: Das Team der Lawinenwarnzentrale zusammen mit dem erweiterten Lehrteam aus Polizeibergführerinnen und Polizeibergführern. I LWD Bayern
Abbildung 6: Das Team der Lawinenwarnzentrale zusammen mit dem erweiterten Lehrteam aus Polizeibergführerinnen und Polizeibergführern. I LWD Bayern

Erfolgreiche Bilanz des Lawinenwarndienstes Bayern

Seit der Gründung des Lawinenwarndienstes Bayern vor über fünfzig Jahren gab es in überwachten Bereichen keinen tödlichen Lawinenunfall. Diese erfreuliche Bilanz bezieht sich auf die für die Öffentlichkeit geöffneten Bereiche wie Straßen, Loipen und Skipisten sowie ausgewiesene Winterwanderwege, für deren Überwachung der Lawinenwarndienst Bayern zuständig ist. Ein gewisses Restrisiko, das alpine Naturgefahr wie Lawinen mit sich bringen, bleibt dennoch leider bestehen. Befindet man sich im freien Gelände, ist man als Wintersportler oder Wintersportlerin in jedem Fall eigenverantwortlich unterwegs und muss sich den Risiken des winterlichen Gebirges bewusst sein. Freies Gelände beginnt bereits im Skigebiet abseits der gesicherten Pisten oder geöffneten Variantenabfahrten. Ebenso fallen darunter nicht speziell ausgewiesene Winterwanderwege und das freie Skitourengelände. Eine Planungs- und Orientierungshilfe stellt hierfür der Lawinenlagebericht dar. Es gilt: Der Lawinenwarndienst kann den individuellen Sportlerinnen und Sportlern im freien Gelände nicht die persönliche Vorsicht und die verantwortungsvolle Entscheidung am Einzelhang abnehmen.

Hier geht es zum aktuellen Lawinenlagebericht

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